diff --git a/skript-mehrgitter-sander.tex b/skript-mehrgitter-sander.tex index 455394305ea2f8ceaf475940577788d428aa2b08..b0a3d2aadea321ab8e79bd2f63005ca012ad7870 100644 --- a/skript-mehrgitter-sander.tex +++ b/skript-mehrgitter-sander.tex @@ -5737,11 +5737,184 @@ aber beide Inklusionen sind echt. Wiederholen Sie die Übung für $H(\div)$. \end{exercise} +Sowohl $H(\curl)$ als auch $H(\div)$ sind Hilbert-Räume mit den +Skalarprodukten +\begin{equation*} + (\bu,\bv)_\text{curl} + \colonequals + \int_\Omega \curl \bu \cdot \curl \bv\,dx + \int_\Omega \bu \cdot \bv\,dx +\end{equation*} +bzw. +\begin{equation*} + (\bu,\bv)_\text{div} + \colonequals + \int_\Omega \div \bu \cdot \div \bv\,dx + \int_\Omega \bu \cdot \bv\,dx. +\end{equation*} + +Die induzierten Normen bezeichnen wir mit $\norm{\cdot}_\text{curl}$ +bzw.\ $\norm{\cdot}_\text{div}$. + +\begin{lemma} + Die Bilinearform + \begin{equation*} + a_\textup{curl}(\bu,\bv) + \colonequals + \int_\Omega \mu^{-1} \curl \bu \cdot \curl \bv\,dx + \int_\Omega \kappa \bu \cdot \bv,dx + \end{equation*} + ist $H(\curl)$-elliptisch wenn $\mu, \kappa > 0$. +\end{lemma} +\todo[inline]{Was ist mit komplexen $\kappa$?} + +Mit dem Satz von Lax--Milgram hat das $\curl \curl$-Problem damit eine +eindeutige Lösung in $H(\curl)$. + +\medskip + +Mutatis mutandis gilt das gleiche für das $\grad \div$-Problem. + +\medskip + +Man beachte dass die Parameter $\mu^{-1}$ und $\kappa$ in den +Stetigkeits- und Elliptizitätskonstanten erscheinen. Gleichzeitig +können beide Parameter sehr klein oder sehr groß werden. +Es wird deshalb später wichtig, dass unsere Konvergenzresultate +unabhängig von $\mu$ und $\kappa$ sind. + +\bigskip + +\todo[inline]{Stetigkeit von Funktionen in $H(\curl)$ und $H(\div)$} + +\subsection{Die Helmholtz-Zerlegung} + +Für die Poisson-Gleichung spielen die konstanten Funktionen eine +besondere Rolle, denn sie sind der Kern von $\nabla$. + +Für $H(\curl)$ und $H(\div)$ passiert etwas ähnliches. + +\bigskip + +Der starke Operator des $\div \div$-Problems ist +\begin{equation*} + I - \nabla \div. +\end{equation*} +Für alle $\bu$ mit $\bu = \curl \ba$ ist das die Identität. +(Und das bedeutet z.\,B.\ dass eine dazugehörige Steifigkeitsmatrix +unabhängig von $h$ konditioniert ist.) + +\medskip + +Falls $\bu$ ein Gradientenfeld ist, also $\bu = \nabla \varphi$ +für eine skalare Funktion $\varphi$, so ist +\begin{equation*} + (I - \nabla \div) \bu = (I - \Delta) \bu, +\end{equation*} +also $H^1$-elliptisch. + +\medskip + +Für den $H(\curl)$-Raum ist es umgekehrt: +\begin{equation*} + (I - \curl \curl) \bu = I\bu +\end{equation*} +für alle $\bu = \nabla \varphi$ mit einer skalaren Funktion $\varphi$. + +Für ein Vektorfeld $\bu$ mit einem Vektorpotential $\ba$ +erhält man +\todo[inline]{Ausrechnen!} + +Funktionen mit einem skalaren Potential oder Vektorpotential +spielen also eine besondere Rolle. Kurioserweise lassen sich +alle Vektorfelder so darstellen. + +\todo[inline]{Literatur mit einem Beweis der Helmholtz-Zerlegung} + +\begin{theorem}[Helmholtz-Zerlegung] + Auf einem Gebiet $\Omega$ in $\R^3$ mit $C^2$-Rand lässt sich jedes + Vektorfold $\bu \in L^2(\Omega)^3$ darstellen als Summe + \begin{equation*} + \bu = \nabla \phi + \curl \ba + \end{equation*} + mit $\phi \in H^1(\Omega)$ und $\ba \in H(\curl)$. + + Diese Zerlegung ist $L^2$- und $H(\div)$-orthogonal. +\end{theorem} +\todo[inline]{Die Orthogonalitätsaussagen nachprüfen!} + +Man nennt diesen Satz auch den Hauptsatz der Vektoranalysis. + +\subsection{Der de Rham Komplex} + +Der Zusammenhang zwischen den diversen Funktionenräumen und +Differentialoperatoren wird durch den sogenannten \emph{de Rham Komplex} +zusammengefasst: +\begin{equation*} +\begin{array}{ccccccccc} + \R & \overset{\text{id}}{\longrightarrow} + & + H^1(\Omega) & \overset{\nabla}{\longrightarrow} + & + H(\curl) & \overset{\curl}{\longrightarrow} + & + H(\div) & \overset{\div}{\longrightarrow} + & + L^2(\Omega). +\end{array} +\end{equation*} + +\begin{definition}{Kokettenkomplex} + Ein Kokettenkomplex besteht aus einer Folge $X^i$, $i \in \mathbb{Z}$ + von Vektorräumen, und einer Folge von linearen Abbildungen $d^i : X^i \to X^{i+1}$ + mit der Eigenschaft + \begin{equation*} + d^{i+1} \circ d^i = 0. + \end{equation*} +\end{definition} + +Der de Rham-Komplex ist tatsächlich solch ein Komplex, denn +\begin{align*} + d^1 \circ d^0 & = \nabla \text{konst} = 0 \\ + d^2 \circ d^1 & = \curl \nabla = 0 \\ + d^3 \circ d^1 & = \div \curl = 0. +\end{align*} + +Ein anderes Beispiel: der Simplizialkomplex +\begin{itemize} + \item $X^i = $ Menge aller $i$-dimensionalen Simplizes mit Vielfachheit + im $n$-dimensionalen Raum + \item $d^i : X^i \to X^{i-1}$ der Randoperator. +\end{itemize} + +Jedes $d^i$ bildet also in den Kern von $d^{i+1}$ ab. + +Wichtig ist die Frage ob diese Abbildung surjektiv ist. + +Die Art der Nichtsurjektivität sagt etwas über die Topologie von $\Omega$ aus. + +\begin{theorem}{Satz von de Rham} + Seien $\mathcal{F}_0, \dots, \mathcal{F}_5$ die Funktionenräume aus dem + de Rham-Komplex. Für alle $i$ existiert eine endlich-dimensionaler + Teilraum $\mathcal{H}$ von $L^2$ so dass für alle $\bu \in \mathcal{F}^i$ gilt + \begin{equation*} + d^i \bu = 0 + \quad + \iff + \quad + \exists \eta \in \mathcal{F}^{i-1}, \tau \in \mathcal{H}^i \text{mit $\bu = d^{i-1} \eta + \tau$} + \end{equation*} +\end{theorem} + +Die Dimension von $\mathcal{H}^i$ nennt man die $i$-te \emph{Betti-Zahl} +von $\Omega$. + +\medskip +Für einfach zusammenhängende $\Omega$ ist die nullte Betti-Zahl gleich~1, +alle anderen sind Null. Die Räume $\mathcal{H}^i$ aus dem Satz von de Rham +fallen also weg. +Dieser Spezialfall heißt \emph{Poincaré-Lemma}. -\section{Der de Rham Komplex} \section{Finite Elemente für \texorpdfstring{$H(\div)$}{H(div)} und \texorpdfstring{$H(\curl)$}{H(curl)}}